L-Carnitin

Synonym(e): Carnitin
Nährstoffgruppe: Aminosäuren

Vorkommen und physiologische Effekte

Vorkommen in der Nahrung

L-Carnitin ist eine vitaminähnliche Verbindung, die aus den beiden Aminosäuren L-Lysin und L-Methionin in Leber, Nieren und Gehirn synthetisiert wird. Als Cofaktoren werden hierbei Eisen, Vitamin B6 und Vitamin C benötigt. Bestimmte Umstände wie Lebererkrankungen, Dialyse oder Chemotherapie können die Eigensynthese von L-Carnitin stören und eine ergänzende Zufuhr notwendig machen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde L-Carnitin erstmals aus Fleischextrakt isoliert und nach der Ausgangsquelle benannt („carnis“ lat. („Fleisch“). Dementsprechend finden sich hohe Mengen an L-Carnitin auch in rotem Fleisch wie Rind, Lamm oder Wild. Obst, Gemüse und Getreide hingegen enthalten kaum messbare Mengen an L-Carnitin. Je nach Ernährungsweise schwankt folglich auch die exogene Zufuhr. Veganer nehmen praktisch kein L-Carnitin über die Nahrung auf, Mischköstler hingegen erhalten ca. 20 - 300 mg L-Carnitin pro Tag über die Ernährung.

Physiologische Effekte
Energiestoffwechsel
  • Bereitstellung von Fettsäuren, Fettsäurentransport erfolgt an L-Carnitin gebunden durch die Mitochondrienmembran
  • Regulation des Citratzyklus
  • Stimulation der Glukoseverwertung über die Pyruvatdehydrogenase
Membranen
  • Stabilisierung der Membranen von Erythrozyten, Immunzellen und Zellorganellen
Nervensystem
  • Förderung der Nervenzellregenation
  • Steigerung des Neurotransmitterstoffwechsels (Acetylcholin)
Immunsystem
  • Steigerung der Lymphozytenproliferation
  • Steigerung der Phagozytoseaktivität der Granulozyten und Monozyten
Herz-Kreislauf
  • Energiequelle des Herzmuskels 
Antioxidans
  • Hemmung der Lipidperoxidation 

Referenzwerte

Bedarf
Erhöhter Bedarf Frühgeborene, Schwangerschaft, Immunschwäche, Leistungssport, Alkoholabusus, Diäten, renale Insuffizienz, Diabetes mellitus, Gestationsdiabetes, Lebererkrankungen, NNR-Insuffizienz,  
Besondere Risikogruppen für
einen Mangel
Diabetes mellitus, Schwangere, Sportler
 

Besondere Informationen

Physiologische Funktion von L-Carnitin
L-Carnitin, eine vitaminähnliche Verbindung, ist eine wasserlösliche Hydroxycarbonsäure, die endogen in einer fünfstufigen Reaktionsfolge aus der essentiellen Aminosäure Lysin synthetisiert wird. Dieser Vorgang kann nur im Gehirn, der Niere und der Leber ablaufen. Benötigt wird das L-Carnitin vor allem in der Skelettmuskulatur und im Herzmuskel, wo es am oxidativen Abbau langkettiger Fettsäuren und der daraus resultierenden Energiefreisetzung beteiligt ist. Hierbei fungiert das L-Carnitin als Transportmolekül, das die aktivierten Fettsäuren in die Mitochondrien schleust, wo die Beta-Oxidation stattfindet. L-Carnitin ist damit ein entscheidender Faktor für die Energieversorgung und die körperliche Leistungsfähigkeit (1). Dadurch erklärt sich auch der erhöhte Bedarf bei Leistungssportlern, der nur schwer mit der Nahrung gedeckt werden kann.
 
Ursachen für eine Unterversorgung mit L-Carnitin
Carnitinmangelzustände sind oft die Folge von Erkrankungen. Eine eingeschränkte Eigensynthese, wie sie bei Leberzirrhose und Niereninsuffizienz anzutreffen ist, kann dafür eine Ursache sein. Eine gesteigerte renale Ausscheidung bedingt durch Diabetes mellitus, metabolischen Stress, wie er im Postaggressionsstoffwechsel typisch ist, sowie durch die Einnahme bestimmter Medikamente kann ebenfalls zu einer Carnitinverarmung führen (2). Zu den ersten unspezifischen Anzeichen einer Carnitinunterversorgung zählen verminderte Leistungsfähigkeit, rasches Ermüden, Fetteinlagerungen im Gewebe und erhöhte Blutfettwerte.
 
L-Carnitin und kardiovaskuläre Erkrankungen
Therapeutisch und begleitend therapeutisch wird L-Carnitin bei kardiologischen Erkrankungen eingesetzt. Insbesondere koronarsklerotische Veränderungen wie Angina pectoris oder Herzinsuffizienz sprechen gut auf adjuvante Carnitingaben an (2). Da das Herz rund 80 % seines Energiebedarfs durch den Abbau von Fettsäuren deckt, ist eine entsprechend hohe Carnitinkonzentration im Gewebe des Herzmuskels notwendig. Ein latenter Carnitinmangel kann deshalb auch für Herzmuskelschwäche und Herzrhythmusstörungen verantwortlich sein (3).
 
L-Carnitin in der Diabetestherapie
Bei Diabetes mellitus können therapeutische Dosierungen von L-Carnitin die erhöhte Ausscheidung kompensieren, was zu einer Senkung der bei Diabetes oft erhöhten Blutfettwerte beiträgt. Durch Carnitin wird eine Akkumulierung von Triglyceriden im Serum vermieden, die bei der Entstehung einer Insulinresistenz eine Rolle zu spielen scheinen (4). Zudem kann L-Carnitin die Regeneration von Nerven und Nervenempfindungen bei diabetischen neuropathischen Störungen signifikant verbessern (5)(6).
 
Supplementierung mit L-Carnitin während der Schwangerschaft
Eine besondere Bedeutung hat L-Carnitin auch während der Schwangerschaft und in der Stillzeit. Schwangere Frauen haben einen erniedrigten Plasmaspiegel (7), während im fetalen Blut und in der Nabelschnur deutlich höhere L-Carnitinkonzentrationen nachzuweisen sind. Auch die Muttermilch enthält hohe Mengen an L-Carnitin, da beim Säugling die Fähigkeit zur Eigensynthese noch nicht vollständig entwickelt ist (1).
 
L-Carnitin für ausreichend Energie im Alter
Aufgrund der antioxidativen Eigenschaften (8) von L-Carnitin kann eine Substitution mit L-Carnitin außerdem Alterungsprozesse positiv beeinflussen. Im Alter nimmt die Fähigkeit der Eigensynthese kontinuierlich ab, was auch zu einer verminderten Energiegewinnung auf mitochondrialer Ebene führt. Studien konnten belegen, dass eine Supplementierung mit L-Carnitin in Kombination mit Alpha-Liponsäure die Energieproduktion wieder auf ein normales Niveau bringen kann (9).

Mögliche Mangelsymptome

Auswirkung auf Symptomatik
Allgemeinbefinden Verminderte Leistungsfähigkeit, rasches Ermüden
Immunsystem Erhöhte Infektanfälligkeit 

Kohlenhydratstoffwechsel

Hyperinsulinämie, Hypoglykämie, Insulinresistenz
Fettstoffwechsel Fetteinlagerungen im Gewebe und erhöhte Blutfettwerte
Anstieg der Lipidperoxidation
Herz-Kreislauf Arrhythmien, Kardiomyopathien, Herzinsuffizienz
Entwicklung Wachstumsstörungen bei Kleinkindern

Einnahme

Allgemeiner Einnahmemodus
 
Wann
 
L-Carnitin sollte über den Tag verteilt vor oder zu den Mahlzeiten eingenommen werden.
Nebenwirkungen
In seltenen Fällen können hohe Dosierungen zu gastrointestinalen Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) führen.
 
Kontraindikationen
Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine Kontraindikationen bekannt.

Interaktionen

Interaktionen mit Arzneimitteln
Kardiaka
(Nitrate)
 
Carnitin kann den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten reduzieren, steigert die Belastungstoleranz des Herzens.
Aknetherapeutika
(Vitamin A – Analoga)
 
Carnitin wirkt den Nebenwirkungen von Vitamin-A-Analoga, v.a. auf die Leber, entgegen.
Schilddrüsenmittel
(L-Thyroxin)
 
Carnitin blockiert zum Teil die Aktivität von Schilddrüsenhormonen.
Cholesterinsenker
(Statine)
 
Kombination mit Carnitin zeigt eine Verbesserung auf die Lipoprotein(a)-Spiegel.
Interaktionen mit anderen Nährstoffen
Spurenelemente Eisenmangel führt zu einer verminderten Eigensynthese.
Magnesium und Carnitin unterstützen sich in ihren kardiovaskulären Wirkungen.
Körpereigene Stoffe Coenzym Q10 verbessert die Wirkung von L-Carnitin.
Aminosäuren Ausreichende Lysin- und Methioninspiegel sind für die Biosynthese von Carnitin essentiell.
Vitamine Vitamin C, Vitamin B6 und Niacin sind für die Carnitinproduktion wichtig.
Fettsäuren Alpha-Liponsäure und Carnitin zeigen synergistische Effekte hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Reduktion von oxidativen Stress. 

Verbindungen

Beschreibung des Mikronährstoffes
Natürliche Ammoniumverbindung, die aus den Aminosäuren L-Lysin und L-Methionin synthetisiert wird.
 
Verbindungen
L-Carnitintartrat ist eine nicht hygroskopische Salzform des Carnitins und liefert 68 % Carnitin.

Referenzen

Referenzen

1) Gröber, U. 2002. Orthomolekulare Medizin. Ein Leitfaden für Apotheker und Ärzte.
2) Hahn, A. et al. 2005. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie.
3) Burgerstei, L. 2002. Handbuch Nährstoffe.
4) Mingrone, G. Carnitin in type 2 diabetes. Ann N Y Acad Sci 2004;1033:99-107.
5) Sima, A. A: et al. 2005. Acetyl-L-carnitine improves pain, nerve regeneration and vibratory perception in patients with chronic diabetic neuropathy. Diabetes Care. 28(1):89-94.
6) Rui, Z. et al. 2012. Neuroprotective Effects of Pre-Treatment with L-Carnitine and Acetyl-L-Carnitine on Ischemic Injury In Vivo and In Vitro. Int. J. Mol. Sci. 13:2078–2090.
7) Cho, S. W., Cha, Y. S. 2005. Pregnancy increases urinary loss of carnitine and reduces plasma carnitine in Korean women. 93(5):685-91.
8) Çekın, A. H. et al. 2013. The protective effect of L-carnitine on hepatic ischemia-reperfusion injury in rats. Turk J Gastroenterol. 24(1):51-6.
9) Savitha, S. et al. 2005. Efficacy of levo Carnitin and lipoic acid in ameliorating the decline in mitochondrial enzymes during aging. Clinical Nutrition. 

Referenzen Interaktionen
Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.

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