L-Glutamin

Synonym(e): Glutamin
Nährstoffgruppe: Aminosäuren

Vorkommen und physiologische Effekte

Vorkommen in der Nahrung
Die proteinogene Aminosäure L-Glutamin ist die häufigste ungebundene Aminosäure im menschlichen Körper und gilt als konditionell essentiell. Unter bestimmten Umständen - wie Verletzungen, Verbrennungen, Operationen oder schwere Erkrankungen - kann die endogene Synthese unzureichend und die Zufuhr von außen notwendig werden. In der Ernährung kommt L-Glutamin sowohl gebunden als auch in freier Form vor. Zu Nahrungsmitteln mit einem hohen Glutamingehalt zählen beispielsweise Käse- und Fleischsorten, Sojabohnen, Erdnüsse sowie Haferflocken.
 
Physiologische Effekte
Energiestoffwechsel
  • Energiesubstrat der Zellen des Gastrointestinaltrakts
  • Aufrechterhaltung einer gesunden Darmmukosa
Immunsystem
  • Energiesubstrat der Lymphozyten
  • Differenzierung der B-Zellen
  • IL-1-Sekretion der Makrophagen 
Muskelaufbau
  • Proteinsynthese und Aminosäurenhomöostase
Antioxidans
  • Präkursor für das wichtigste körpereigene Antioxidans Glutathion
Niere
  • Regulation des Säure-Basen-Haushaltes
  • Stickstofflieferant für die Produktion von Ammonium.

Referenzwerte

Bedarf
Erhöhter Bedarf Strahlentherapie, Zytostatika, NSAID, Unterernährung, Frühgeborene, hohe körperliche Belastung (Sport), Leber- und Nierenerkrankungen, Pankreatitis, Verbrennungen und Verletzungen 
Besondere Risikogruppen für
einen Mangel

Leistungssportler, Tumorpatienten, Traumapatienten 

Referenzwert laut Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (=100 % TB-Kennzeichnung auf Etikett)

 
  k. A. 
Sicherheit des Nährstoffes  
UL
 
Langfristige tägliche Aufnahmemenge, bei der keine negativen Einflüsse auf die Gesundheit zu erwarten sind k. A.
 
NOAEL
 
Maximale Aufnahmedosis, die in Studien keine schädigenden Auswirkungen verursachte k. A.
 
Highest Observed Intake (HOI) Höchste in Studien publizierte Dosierung ohne negative Effekte (inoffizieller Wert)

14 g/d 

 

Besondere Informationen

L-Glutamin für die Integrität der Darmmukosa
Die bedingt essentielle Aminosäure L-Glutamin spielt eine zentrale Rolle beim Aufbau und der Erhaltung von Zellsystemen. Zellen mit hohen Teilungsraten, wie die Mukosazellen des Dünndarms, sind obligat auf eine ausreichende Versorgung mit Glutamin angewiesen. Die Mukosazellen verstoffwechseln rund 70 % des aufgenommenen Glutamins, wodurch diese Aminosäure zu einem unentbehrlichen Nährstoff für die Aufrechterhaltung der intestinalen Permeabilität wird (1). Außerdem ist L-Glutamin der Präkursor für die Glutathionbiosynthese und damit eine zentrale Komponente zur Erhaltung des antioxidativen Status.
 
L-Glutamin - therapeutisch bei geschädigter Darmmukosa
Bei einer gestörten Darmmukosa zeigt eine gezielte Glutaminsubstitution therapeutische Effekte. So konnte im Tierversuch eine Wiederherstellung der Darmschleimhaut (gemessen in erhöhtem Darmmukosagewicht und vermehrter Mukosa-DNS) sowie eine Verbesserung der Mikrovillihöhe und Kryptentiefe beobachtet werden (2). Zudem normalisierten sich die Glutathionwerte im Jejunum, ohne dass sich der Glutathiongehalt in anderen Geweben entscheidend verändert. (3). Eine Supplementierung mit L-Glutamin kann außerdem die Aufrechterhaltung der Abwehrfunktionen der Darmmukosa gewährleisten und die darmassoziierte Immunantwort unterstützen. So verkürzte sich bei Kindern mit Diarrhoe die Erkrankungsdauer signifikant durch die zusätzliche Gabe von L-Glutamin, was auf die verbesserte Abwehrleistung der Mukosa zurückgeführt wird (4).
 
L-Glutamin bei Helicobacter-pylori-Infektionen
Neue Studien weisen auf eine protektive Wirkung des L-Glutamins bei Helicobacter-pylori-Infektionen hin. Eine H.-pylori-Infektion gilt als die Hauptursache für Magenulcera und als Hochrisikofaktor für Magenkarzinom und MALT-Lymphom. L-Glutamin neutralisiert den durch das Bakterium entstehenden Ammoniak und verhindert so die Zellschädigung. Durch die gezielte Zufuhr von L-Glutamin konnten die durch H. pylori entstandenen Mukosaschäden verringert werden. Zudem wurden eine effektivere Immunantwort und eine geringere Ausprägung der Entzündung beobachtet (5).
 
Mukosaschädigungen durch Medikamente
Eine erhöhte intestinale Permeabilität und Schleimhautschäden im Magen-Darm-Trakt werden häufig bei der regelmäßigen Einnahme von NSAID wie Idometacin oder Diclofenac beobachtet. Durch eine begleitende Supplementierung mit L-Glutamin, idealerweise 30 Minuten vor der Medikamenteneinnahme, kann die gastrointestinale Verträglichkeit verbessert werden (6).
 
Glutaminsupplementierung beim Ausdauersportler
Sportliche Aktivität beeinflusst die Aminosäurezusammensetzung im Plasma. So sind nach intensivem Training die Glutaminwerte um bis zu 30 % reduziert (7). Um die Glutaminkonzentration im Blut wiederherzustellen, wird zuerst das im Muskel enthaltene Glutamin freigesetzt. Dies kann zu einem Abbau des Muskelproteins und damit der Reduzierung der Muskelmasse führen. Eine ausreichende Glutaminversorgung zum richtigen Zeitpunkt steigert dagegen das Muskelwachstum auch unter körperlicher Belastung, beugt dem Abbau von Muskelmasse vor und verzögert die Ermüdung der Muskulatur (1).
Ausdauersport und intensive Kurzzeitbelastungen führen zudem zu einer Erhöhung der Ammoniakwerte im Plasma, wodurch toxische Effekte auf das Zentralnervensystem entstehen. Eine regelmäßige und hohe Aufnahme von L-Glutamin konnte eine Hyperammonämie bei Fußballspielern verhindern und die Ausscheidung der toxischen Metaboliten verbessern (8).
Durch den Abfall des Glutaminspiegels im Plasma während und nach der Belastung werden bei Ausdauersportlern die Immunfunktionen ungünstig beeinflusst. Da Glutamin als primärer Energielieferant für immunkompetente Zellen dient, wird vermutet, dass der reduzierte Glutaminstatus für die gesteigerte Infektanfälligkeit von Ausdauersportlern mit verantwortlich zu machen ist (9).
 
L-Glutamin bei Erkrankungen, Verletzungen und in der Rekreationsphase
L-Glutamin zählt zu den konditionell essentiellen Aminosäuren, die unter bestimmten Bedingungen und bei Erkrankungen Essentialität erlangen können. Bei schweren Erkrankungen und Verletzungen wird ein erniedrigter Glutaminspiegel beobachtet. Unter katabolen Bedingungen, wie sie für schwere Traumen, Verbrennungen oder Operationen typisch sind, reicht die körpereigene Glutaminsynthese nicht aus, um den gesteigerten Bedarf zu decken (10). Wird kein Glutamin substituiert, stellt sich eine negative Glutaminbilanz ein, was die Immunabwehr schwächt, da L-Glutamin den Immunzellen (Lymphozyten, Makrophagen und neutrophile Granulozyten) als Energiequelle dient. Eine gezielte erhöhte Zufuhr kann dagegen die Prognosen und die Heilungserfolge über immunologische Vorgänge verbessern (11).
Auch bei Verletzungen und chirurgischen Eingriffen sind die L-Glutaminwerte zwei bis sieben Tage lang erniedrigt. Dadurch wird die Permeabilität der Darmmukosa erhöht und die Effektivität der bakteriellen Abwehrfunktionen vermindert. Dies wird als eine der Ursachen für ein erhöhtes bakterielles Infektionsrisiko nach Operationen angesehen (12)

Mögliche Mangelsymptome

Auswirkung auf Symptomatik
Allgemeinbefinden Verringerte körperliche Leistungsfähigkeit, verlängerte Rekonvaleszenz
Immunsystem Verlängerte Rekonvaleszenz, allgemeine Krankheitsanfälligkeit 
Muskulatur Abbau der Muskelmasse, Muskelschwäche
Darm Beeinträchtigung der Darmmukosa, Leaky-Gut-Syndrom, Zottenatrophie

Indikation

Effekt Indikation Dosierung
Physiologische Effekte
mit niedrigen
Nährstoffdosierungen
Therapiebegleitend bei entzündlichen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, insbesondere der Darmschleimhaut, sowie bei Helicobacter-pylori-Infektionen 2 - 10 g/d 
Zur Verbesserung der Verträglichkeit von Antirheumatika und Antiphlogistika (NSAID) 5 - 10 g/d 
Zur Erhaltung und Steigerung von Muskelmasse beim Leistungssportler 10 - 20 g/d 
Zur Verbesserung der Immunkompetenz, zur Reduktion der Infektionshäufigkeit bei Ausdauersportlern und bei körperlicher Belastung 10 - 20 g/d 
Therapiebegleitend bei Verletzungen und chirurgischen Eingriffen zur Aufrechterhaltung der Immunfunktionen und zur Verbesserung der Prognosen 15 - 40 g/d 

Einnahme

Allgemeiner Einnahmemodus
 
Wann
 
L-Glutamin sollte zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden.
  Hinweis:
  • Bei der Einnahme von NSAID 30 Minuten vorher.
  • Bei Leistungssportlern sowohl vor als auch nach dem Training oder Wettkampf.
Nebenwirkungen
Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine Nebenwirkungen bekannt.
 
Kontraindikationen
Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine Kontraindikationen bekannt. 

Interaktionen

Interaktionen mit Arzneimitteln
NSAIDs
(z.B. Diclofenac, ASS, Ibuprofen)
Die gastrointestinalen Nebenwirkungen (z.B. Schleimhautschäden) können durch begleitende Einnahme von Glutamin verringert werden.
Tumortherapie allgemein Glutamin unterstützt das Immunsystem und hat protektive Effekte auf die Darmfunktion.
Interaktionen mit anderen Nährstoffen
Keine Nach aktuellem Kenntnisstand sind keine relevanten Wechselwirkungen bekannt.

Verbindungen

Beschreibung des Mikronährstoffes
Proteinogene, nicht essentielle Aminosäure
Verbindungen
L-Glutamin

Referenzen

Referenzen

1) Gröber, U. 2002. Orthomolekulare Medizin. Ein Leitfaden für Apotheker und Ärzte.
2) Sukhotnik, I. et al. 2007. Dietary glutamine supplementation prevents mucosal injury and modulates intestinal epithelial restitution following ischemia-reperfusion injury in the rat. Dig Dis Sci. 52(6):1497-504.
3) Belmonte, L. et al. 2007. Effects of glutamine supplementation on gut barrier, glutathione content and acute phase response in malnourished rats during inflammatory shock. World J Gastroenterol. 13(20):2833-40.
4) Yalcin, S. S. et al. 2004. Effect of glutamine supplementation on diarrhoea, interleukin-8 and secretory immunoglobulin A in children with acute diarrhoea. J Pediatr Gastrenterol Nutr. 38(5):494-501.
5) Hagen, S. J. et al. 2009. Inflammation and foveolar hyperplasia are reduced by supplemental dietary glutamine during Helicobacter pylori infection in mice. J Nutr. 139(5):912-8.
6) Gröber, U. 2007. Arzneimittel und Mikronährstoffe. Medikationsorientierte Supplementierung.
7) Blomstrand, E., Essén-Gustavsson, B. 2008. Changes in amino acid concentration in plasma and type I and type II fibres during resistance exercise and recovery in human subjects. Amino Acids.
8) Bassini-Cameron, A. et al. 2008. Glutamine protects against increases in blood ammonia in football players in an exercise intensity-dependent way. Br J Sports Med. 42(4):260-6.
9) Hahn, A. et al. 2005. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie.
10) Cander, B. et al. 2005. Effects of glutamine in critical illness. Saudi Med J. 26(6):969-73.
11) Newsholme, P. 2001. Why is L-glutamine metabolism important to cells of the immune system in health, postinjury, surgery or infection? J Nutr. 131(9 Suppl):2515S-22S.
12) Zhang, W. B, Jiang, H. P. 2009. Intestinal mucosal barrier dysfunction after abdominal operation and its clinical significance. Nan Fang Yi Ke Da Xue Xue Bao. 29(2):246-9.

Referenzen Interaktionen
Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.

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