Ölziehen ist ein altes ayurvedisches Heilmittel, das zur oralen Gesundheit und Entgiftung eingesetzt wird. Reine Öle werden als antibakterielle Mittel zur Hemmung schädlicher Organismen, wie Bakterien oder Pilze, im Bereich des Mundraums verwendet. Zudem wird so Karies, Mundgeruch, Zahnfleischbluten und trockenen Lippen vorgebeugt, während Zähne, Zahnfleisch und Kiefer gleichzeitig gestärkt werden. Das „Ziehen“ des Öls aktiviert Enzyme, welche Toxine aus dem Blut holen. Dazu können Speiseöle, wie beispielsweise Sesamöl oder Sonnenblumenöl, eingesetzt werden (11). Generell stellt Ölziehen in Verbindung mit Zähneputzen und der Verwendung von Zahnseide eine einfache Methode zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Mundgesundheit und -hygiene dar, ohne bedenkliche Nebenwirkungen, wie z.B. Verfärbungen der Zähne oder anhaltenden unangenehmen Nachgeschmack (12).
Ölziehen mit Sonnenblumenöl ergänzend zur normalen Mundhygiene zeigte sich in einer kleinen Interventionsstudie effektiv gegen Plaque und Gingivitis. Daraus wurde geschlossen, dass Ölziehen zur ergänzenden Mundhygiene eingesetzt werden kann (13). Dieses Ergebnis unterstützt eine weitere Studie, in der Ölziehen den Plaqueindex, den Gingivitisgrad und die Zahl des Bakteriums Streptococcus mutans reduzierte. Das Ölziehen war genauso effektiv gegen plaqueinduzierte Gingivitis wie Chlorhexidin. Im Gegensatz zum Antiseptikum verfärbt Öl aber die Zähne nicht, hat keinen anhaltenden Nachgeschmack und verursacht keine Allergien (14). Auch Halitose (Mundgeruch) kann mit Ölziehen gleich gut behandelt werden wie mit Chlorhexidin: Eine Studie ergab, dass das Öl Halitose und halitoseauslösende Mikroorganismen im Mundraum gleich gut reduziert (15). Ölziehen mit Sonnenblumenöl erwies sich auch gegen den Mundpilz Candida albicans als effektiv (16). Dies stimmt mit Ergebnissen anderer Studien zur Verbesserung des Mundsoor (orale Candidose) überein. Die Wirkung des Ölziehens beruht auf zwei Mechanismen: Einerseits entfernt das „Ziehen“ Toxine und Pathogene aus der Mundhöhle und andererseits wirken die antifungalen Eigenschaften der Öle an der Eliminierung des Pilzes mit (12)
Zum Wirkmechanismus des Ölziehens gibt es viele Theorien, die genaue Funktionsweise ist aber nicht vollständig geklärt. Eine Theorie stützt sich auf die Ölverseifung: Bei der Verseifung oder Saponifikation emulgieren Öle durch die alkalische Hydrolyse ihrer Fette. Durch diesen Mechanismus entsteht im Speichel Bicarbonat. Die Seifenstoffe vermischen sich mit dem Öl, vergrößern die Oberfläche und erhöhen damit die Reinigungswirkung. Eine weitere Theorie bezieht sich auf die Viskosität der Öle, die möglichweise die Adhäsion von Bakterien und Plaque verringert. Die dritte Theorie geht davon aus, dass die im Öl vorhandenen Antioxidantien entgiften, indem sie die Lipidperoxidation verhindern und damit antibiotisch wirken. Dies zerstört Mikroorganismen und potenziert die Wirkung von Vitamin E in der Mundhöhle. Allgemein wurde festgestellt, dass die Anregung des Stoffwechsels die Gesundheit verbessert (12). Bisher ohne wissenschaftlichen Beweis, aber in der Ayurvedamedizin seit Langem bekannt ist die entgiftende Wirkung des Ölziehens. Demnach regt es die Drüsen der Mundschleimhaut an und verbessert die Durchblutung, wodurch Schlacken, Schad- und Giftstoffe verstärkt abgesondert werden. Das Öl „zieht“ auch Schadstoffe aus dem Organismus und bindet sie im Mund. Anschließend können die Schadstoffe durch Ausspucken aus dem Mundraum entfernt werden (17). Aus diesem Grund wird diese jahrzehntealte Technik auch in modernen Entgiftungspraktiken angewandt. Das Ziehöl wird morgens und abends nach dem Zähneputzen angewandt, indem 1–2 Teelöffel voll Öl 8–10 Minuten lang durch die Zahnzwischenräume „gezogen“ und dann ausspuckt werden.
Ölziehen kann mit fast jedem Speiseöl durchgeführt werden, wie u.a. mit Ölen aus Sonnenblume, Hanf, Leindotter, Pfefferminze, Teebaum, Thymian, Zitronenmelisse, Salbei und Nelke. Sonnenblumenöl zählt als geschmacksneutrales und einfach erhältliches Öl zu den Ölziehklassikern. Thymian beispielsweise hat – hauptsächlich durch den hohen Gehalt an Thymol – nicht nur antibakterielle Wirkung, sondern wirkt als Fänger freier Radikale auch antioxidativ (18). Salbei ist mit seinen Anteilen an Kampfer, Thujon und Cineol gegen grampositive und gramnegative Bakterien sowie Pilze wie Candida albicans aktiv. Die Verbindungen, die Nelkenöl bilden, zerstören
mikrobielle Zellmembranen und durchdringen zytoplasmatische Membranen. Der Hauptbestandteil von Nelkenöl ist Eugenol, das maßgeblich für die antiviralen und antibakteriellen Eigenschaften verantwortlich ist. Teebaumöl wird aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften bereits seit Langem für dermatologische Anwendungen und in der Mundhygiene eingesetzt. Teebaumöl hemmt das Wachstum der für den Mundgeruch verantwortlichen Bakterien Porphyromonas gingivalis und Porphyromonas endodontalis. Es unterdrückt jedoch nicht nur deren Wachstum, sondern schränkt auch die Produktion der unangenehm riechenden freien Schwefelverbindungen ein – H2S von P. gingivalis and CH3SH von P. endodontalis. Terpineol und Cineol im Teebaumöl hemmen auch C. albicans. Pfefferminzöl wird wegen seines angenehm frischen Geschmacks und wegen seiner antimikrobiellen Eigenschaften geschätzt. Genau wie Nelkenöl hat es in Untersuchungen antivirale Eigenschaften gegenüber dem Herpes simplex-Virus (HSV-1 und HSV-2) gezeigt, wohingegen die antimikrobielle Aktivität stark vom Mentholgehalt abhängt (19). Zitronenmelissenöl ist mit seiner Zitrusnote geschmacklich ebenso erfrischend und verfügt über bemerkenswerte antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften (20).
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