Vitamin B1
Synonym(e): B-Vitamine, Thiamin, Thiaminmononitrat
Nährstoffgruppe: Vitamine
Vorkommen und physiologische Effekte
Vorkommen in der Nahrung |
Vitamin B1 ist ein wasserlösliches Vitamin, das beinahe ubiquitär, meist jedoch nur in geringen Konzentrationen, in der Ernährung enthalten ist. Beachtliche Mengen an Vitamin B1 sind im Keim und in den Randschichten von Vollkorngetreide zu finden. Durch Ausmahlen zu Weißmehlen geht jedoch ein hoher Prozentsatz des enthaltenen Vitamin B1 verloren. Andere nennenswerte pflanzliche Vitamin-B1-Quellen sind Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Nüsse. Als gute tierische Vitamin-B1-Lieferanten gelten Schweinefleisch und Innereien. Hier kommt das Vitamin B1 nicht in freier Form vor, sondern als biologisch aktives Thiamindiphosphat (auch: Thiaminpyrophospat) vor.
Bestimmte Früchte (z.B. Kirschen, Brombeeren, Äpfel) enthalten Antithiaminfaktoren, die die Bioverfügbarkeit von Vitamin B1 herabsetzen. Auch phenolische Substanzen (z.B. Kaffee, Cholorgensäure, Tannine) und das Enzym Thiaminase (Quellen: roher Fisch, einige Bakterien/Pflanzen) wirken als Antithiaminfaktoren. In der Praxis haben diese Störfaktoren bei üblicher Ernährung jedoch keine Bedeutung - nicht so Alkohol, der die Absorption und Verwertung des Vitamins stört und bei chronischem Missbrauch zu einem Mangel führen kann.
Bei der Speisenzubereitung treten variable, teils gravierende Vitamin-B1-Verluste auf. Gründe dafür sind die Hitzelabilität, Wasserlöslichkeit und Oxidationsempfindlichkeit des Vitamins. Rund 30 % des Vitamin B1 werden deshalb bei der Mahlzeitenzubereitung durchschnittlich zerstört. Beim Gemüsekochen können es sogar bis zu 60 % sein. Auch Einweichen, Schälen und der Zusatz von Sulfiten zur Lebensmittelkonservierung führen zu Thiaminverlusten.
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Physiologische Effekte |
Nervensystem |
- Beeinflusst die Neurotransmitter GABA und Serotonin
- Antagonist des Acetylcholins, einem der wichtigsten Botenstoffe im zentralen und peripheren Nervensystem
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Energiestoffwechsel |
- Als Coenzym an der Gewinnung von Energie aus der Nahrung beteiligt
- Einschleusung von Kohlenhydraten in den Citratzyklus (Cofaktor der Pyruvatdehydrogenase)
- Bereitstellung von NADPH für die Nukleotidbiosynthese (Vitamin-B1-abhängige Transketolase)
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Herzfunktion |
- Als Cofaktor des Energiemetabolismus an der Unterstützung der Herzfunktion beteiligt
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EFSA Health Claims
Health Claims |
EFSA Opinion |
Vitamin B1 (Thiamin) |
- Trägt zur normalen psychischen Funktion bei
- Trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei
- Trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei
- Trägt zu einer normalen Herzfunktion bei
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Referenzwerte
Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr D-A-CH |
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Alter |
Vitamin B1 (mg/d) |
Säuglinge (Monate) |
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0-4 |
0,2 |
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4-12 |
0,4 |
Kinder (Jahre) |
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1-4 |
0,6 |
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4-7 |
0,7 |
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7-10 |
0,8 - 0,9 |
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10-13 |
0,9 - 1,0 |
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13-15 |
1,0 - 1,2 |
Jugendliche/Erwachsene (Jahre) |
Frauen |
Männer |
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15-19 |
1,1 |
1,4 |
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19-25 |
1,0 |
1,3 |
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25-51 |
1,0 |
1,2 |
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51-65 |
1,0 |
1,2 |
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> 65 |
1,0 |
1,1 |
Schwangere |
2. Trimester 1,2
3. Trimester 1,3
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Stillende |
1,3 |
Erhöhter Bedarf |
Alter, Schwangerschaft, Fieber, Stress, Sport, einseitige und kohlenhydratreiche Ernährung, hoher Kaffee-/Teekonsum, Alkoholabusus, Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Depressionen, Morbus Alzheimer, Schmerzzustände |
Besondere Risikogruppen für
einen Mangel |
Diabetes mellitus, Alkoholiker |
Referenzwert laut Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung |
mg |
(=100 % TB-Kennzeichnung auf Etikett) |
1,1 mg |
Sicherheit des Nährstoffes |
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UL
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Langfristige tägliche Aufnahmemenge, bei der keine
negativen Einflüsse auf die Gesundheit zu erwarten sind |
k. A. |
NOAEL
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Maximale Aufnahmedosis, die in Studien keine
schädigenden Auswirkungen verursachte |
k. A. |
Besondere Informationen
Resorption von Vitamin B1 |
Vitamin B1 wird im Darm über die Thiamintransporter 1 und 2 aufgenommen. Mithilfe des Enzyms Thiaminpyrophosphokinase wird es zunächst zu Thiaminpyrophosphat (TPP, auch Thiamindiphosphat, TDP) umgewandelt. In dieser biologisch aktiven Form ist es Coenzym der Pyruvatdehydrogenase E1, der α-Ketoglutaratdehydrogenase und der Transketolase.
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Schlüsselrolle im zellulären Energiestoffwechsel |
Vitamin B1 spielt, wie alle B-Vitamine, eine Schlüsselrolle im Citratzyklus. Es hilft bei der Decarboxylierung von Pyruvat zu Acetyl-CoA und ist an der Umwandlung von Ribose-5-phosphat zu Fruktose-6-phosphat beteiligt. Außerdem wird der Pentosephosphatzyklus durch ein Vitamin-B1-abhängiges Enzym katalysiert. Vitamin-B1-Mangel kann aufgrund der zentralen Bedeutung im Energiestoffwechsel zum Krankheitsbild Beriberi führen. Klassische Beriberisymptome sind Müdigkeit, Lethargie, Störungen von Herz, Kreislauf, Nerven und Muskulatur.
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Vitamin B1 und Mikroangiopathien |
Vitamin B1 spielt eine wichtige Rolle beim Erhalt der endothelialen Gefäßfunktionen und des Lipidprofils sowie bei der Entstehung von Retinopathien, Nephropathien, Kardiopathien und Neuropathien. Mikro- und Makroangiopathien treten vor allem als Spätfolgen einer Diabetes-mellitus-Erkrankung auf oder sind alkoholbedingt (1).
Eine begleitend therapeutische Intervention mit hoch dosierten B-Vitaminen kann das Schmerzgeschehen bei Polyangiopathien positiv beeinflussen sowie die Symptomatik diabetischer Neuropathien verbessern (2). Dies scheint unter anderem über eine direkte Schutzwirkung von Vitamin B1 auf glukoseinduzierte Veränderungen an den Zellmembranen zu geschehen (3). So konnte Vitamin B1 im Zellversuch Endothelschäden durch hohe Glukosespiegel rückgängig machen (4).
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B-Vitamine und neurologische Bedeutung |
Neben der Energiegewinnung ist Vitamin B1 für den Aufbau und die Funktionsfähigkeit von Nervenzellen von Bedeutung. Eine Unterversorgung äußert sich dementsprechend in unspezifischen neurologischen Symptomen wie Nervosität oder Konzentrationsschwäche (5). Auch Verhaltensänderungen bei Kindern und Jugendlichen sind möglich. Eine gezielte Verbesserung der defizitären Versorgungslage durch Supplementierung ermöglicht eine grundlegende Verbesserung der dadurch bedingten neurologischen Symptomatik. |
Labordiagnostik
Parameter |
Substrat |
Referenzwert |
Beschreibung |
Thiamin |
Vollblut |
29 - 52 µg/l |
Nüchtern (12 h Nahrungskarenz). Transport: lichtgeschützt. |
Transketolase-aktivitätstest |
Erythrozytenhämolysat |
>1,25
Grenzwertig
1,20-1,25 |
Vitamin B1 ist Cofaktor der erythrozytären Transketolase. Eine verminderte Transketolaseaktivität in den Erythrozyten spricht für einen Vitamin-B1-Mangel. Eine Steigerung der Transketolaseaktivität in den Erythrozyten nach Zugabe von Thiaminpyrophosphat (TPP-Effekt) ist ein guter Indikator eines Vitamin-B1-Mangels. Steigt die Aktivität um mehr als 15 %, ist ein Mangelzustand wahrscheinlich. |
Interpretation |
Verminderte Werte |
Vitamin-B1-Mangel, Abnahme des Vitaminvorrates im Körper und Abnahme Vitamin-B1-abhängiger Enzymaktivität |
Erhöhte Werte |
Überdosierung von Vitamin-B1 oder Vitamin B-Komplexpräparaten |
Gen/miRNA
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Vorgang
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Aktivitätsänderung
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Prävention
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Nährstoff zur Krebsprävention
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P16, P14, and hMLH1
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Methylierung
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reduziert
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Präventiv für Darmkrebs
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Vitamin B1
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Mögliche Mangelsymptome
Auswirkung auf |
Symptomatik |
Allgemeinbefinden |
Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit |
Nervensystem |
Periphere Neuropathien, Schwäche, Müdigkeit, Fußbrennen |
Blutbild |
Anämie, Thrombozytopenie |
Herz-Kreislauf-System |
Herzinsuffizienz, Tachykardie, Ödeme (Beriberi) |
Diabetesfolgeerkrankung |
Polyneuropathien, Angiopathien |
Alkoholabususfolgeerkrankung |
Wernicke-Enzephalopathie (Augenmuskelparese, Ataxie, Psychosen, Kleinhirnatrophie), Polyneuropathien |
Indikation
Effekt |
Indikation |
Dosierung |
Physiologische Effekte
mit niedrigen
Nährstoffdosierungen |
Therapeutisch begleitend bei Diabetes mellitus und diabetischer Polyneuropathie |
50 - 100 mg/d |
Therapeutisch begleitend bei alkoholischer Polyneuropathie |
150 - 500 mg/d |
Adjuvant bei Langzeitanwendung von Antazida, Antidepressiva, Diuretika und Alkoholabusus |
10 - 50 mg/d |
Pharmakologische Effekte
mit hohen Nährstoffdosierungen |
Therapeutisch begleitend bei Bandscheibenvorfall, Karpaltunnelsyndrom oder Restless-Legs-Syndrom oder Hand-Fuß-Syndrom |
300 - 600 mg/d |
Einnahme
Allgemeiner Einnahmemodus |
Wann
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B-Vitamine können zwischen oder zu den Mahlzeiten eingenommen werden. |
Nebenwirkungen |
Sehr selten nach langfristiger hoher Dosierung (50 mg/kg oder >3000 mg/d) können Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Tachykardie, Juckreiz oder Urtikaria auftreten. |
Kontraindikationen |
Verdacht auf Überempfindlichkeit gegenüber Vitamin B1 |
Interaktionen
Interaktionen mit Arzneimitteln |
Antiepileptika (z.B. Phenytoin) |
Erhöhung des Vitamin-B1-Bedarfs durch vermehrten Vitamin-B1-Abbau durch antiepileptikabedingte Enzyminduktion |
Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) |
Erhöhte renale Vitamin B1-Ausscheidung
Furosemid beeinträchtigt die Vitamin B1-Aufnahme in die Kardiozyten
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Orale Kontrazeptiva |
Störungen der Vitamin-B1-Resorption und -utilisation |
Interaktionen mit anderen Nährstoffen |
Spurenelemente |
Magnesiummangel führt zur Hemmung der Phosphorylierung von Thiamin zu Thiamindiphosphat. |
Vitamine |
Vitamin B1 wirkt synergistisch mit allen B-Vitaminen, vor allem Vitamin B2 und B3 |
Verbindungen
Beschreibung des Mikronährstoffes |
Wasserlösliches Vitamin des B-Komplexes |
Verbindungen |
Thiaminhydrochlorid, Thiaminmononitrat, Thiaminmonophosphatchlorid, Thiaminpyrophosphatchlorid
Hinweis:
Benfotiamin ist eine fettlösliche Verbindung, die in der Therapie eingesetzt wird. Diese Verbindung ist nur in Medikamenten zugelassen.
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Referenzen
Referenzen |
1 ) Al-Daghri, N. M. et al. 2015. Biochemical changes correlated with blood thiamine and its phosphate esters levels in patients with diabetes type 1 (DMT1). International Journal of Clinical and Experimental Pathology. 8(10):13483-13488.
2) Haupt, E. et al. 2005. Benfotiamin (vitamin B1) in the treatment of diabetic polyneuropathy - a three-week randomized, controlled pilot study. Int J Clin Pharmacol Ther. 43(2):71-7.
3) Beltramo, E. et al. 2004. Thiamin and benfotiamine prevent increased apoptosis in endothelial cells and pericytes cultured in high glucose. Diabetes Metab Res Rev. 20(4):330-6.
4) Beltramo E. et al. 2009. Thiamine and benfotiamine prevent apoptosis induced by high glucose-conditioned extracellular matrix in human retinal pericytes. Diabetes Metab Res Rev. 25(7):647-56. doi: 10.1002/dmrr.1008.
5) Universität Wien. Österreichischer Ernährungsbericht. Wien: Bundesministerium für Gesundheit, 2008.
Referenzen Interaktionen
Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.
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