Melatonin

Nährstoffgruppe: Hormone & hormonähnliche Substanzen

Vorkommen und physiologische Effekte

Vorkommen in der Nahrung
Melatonin (N-Acetyl-5-Methoxytryptamin) ist ein Metabolit des Tryptophanstoffwechsels und steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus des menschlichen Körpers. Die schlafbereitschaftsfördernde Substanz kann in kleinen Mengen auch in bestimmten Lebensmitteln gefunden werden. So enthält die Milch von Kühen je nach Tages- oder Nachtzeit sowie je nach Futter unterschiedlich hohe Konzentrationen an Melatonin. Geringe Mengen sind auch beispielsweise in Walnüssen, Kirschen oder Gemüsekeimlingen enthalten.
 
Physiologische Effekte
Zirkadianer Rythmus
  • Anpassung von Stoffwechselaktivität an den zirkadianen und jahreszeitlichen Rhythmus
Schlaf
  • Verbesserung der Schlafqualität
Antioxidans
  • Hydroxylradikalfänger

EFSA Health Claims

Health Claims EFSA Opinion
Melatonin
  • Trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen.
  • Die positive Wirkung stellt sich ein, wenn kurz vor dem Schlafengehen 1 mg Melatonin aufgenommen wird.
  • Trägt zur Linderung der subjektiven Jetlagempfindung bei.
  • Die positive Wirkung stellt sich ein, wenn am ersten Reisetag kurz vor dem Schlafengehen sowie an den ersten Tagen nach der Ankunft am Zielort mindestens 0,5 mg aufgenommen werden.

Besondere Informationen

Melatonin – ein Produkt desTryptophanstoffwechsels
Melatonin (N-Acetyl-5-Methoxytryptamin) ist ein Metabolit des Tryptophanstoffwechsels und wird vorwiegend in der Epiphyse aus dem Neurotransmitter Serotonin gebildet. Sowohl Synthese als auch Sekretion werden durch den tages- und jahreszeitenabhängigen Hell-Dunkel-Zyklus reguliert, wobei Dunkelheit stimulierend und lichthemmend auf die Melatoninausschüttung wirkt. Dementsprechend liegen die Melatoninspiegel nachts bis zu zehnmal höher als untertags. Auch die enterochromaffinen Darmzellen verfügen über die enzymatische Ausstattung, Melatonin aus Tryptophan zu bilden. Bei tryptophanreicher Ernährung werden deshalb auch im Darm höhere Mengen an Melatonin gebildet (1).
 
Physiologische Funktionen von Melatonin
Die physiologischen Funktionen von Melatonin sind vielfältig, und so können Melatoninrezeptoren auch in vielen Geweben nachgewiesen werden. Hauptfunktion des Melatonins ist die Anpassung der Stoffwechselaktivitäten an den circadianen und an den jahreszeitlichen Rhythmus. Damit nimmt es u.a. Einfluss auf Immunabwehr, Schlaf, sexuelle Aktivität, Körpertemperatur oder psychische Befindlichkeit. Darüber hinaus verfügt Melatonin über starke antioxidative Effekte, insbesondere gegenüber Photooxidanzien und Hydroxylradikalen (1) (2).
 
Taktgeber der inneren Uhr
Melatonin ist kein Hypnotikum. Zum richtigen Zeitpunkt eingenommen, stärkt es jedoch die durch das circadiane System vorgegebene nächtliche Schlafbereitschaft mit der Folge eines qualitativ gut ausgeprägten Schlafes ausreichender Länge und ist Mittel erster Wahl bei Patienten mit Albträumen und REM-Schlafverhaltensstörungen. Seine Wirkung ist in hohem Maße zeitabhängig. Die Einnahme am späten Abend (21 – 23 Uhr) stärkt  die Amplitude des circadianen Rhythmus, am frühen Abend (18 – 19 Uhr bei Spättypen) verschiebt es die Phase des zirkadianen Systems nach vorne, in den Morgenstunden die Phase nach hinten. Dementsprechend darf Melatonin nicht vor dem Tagschlaf nach einer Nachtschicht verwendet werden (3). Melatonin wirkt auch regulierend auf Verschiebungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, wie sie bei Langstreckenflügen über mehrere Zeitzonen auftreten. Die ergänzende Einnahme von Melatonin vor dem Schlaf beschleunigt die Anpassung an die neue Zeitzone und reduziert das subjektive Gefühl eines Jetlags – eine von der EFSA (European Food Safety Agency) anerkannte gesundheitsbezogene Angabe zu Melatonin (4).
 
Melatoninmangel durch Störfaktoren, bei Depressionen und durch Alter
Die körpereigene Melatoninsynthese kann durch verschiedene Faktoren vermindert oder verschoben werden. So können sich beispielsweise chronischer Stress, zu geringe Lichtreize und Alterungsprozesse auf die Melatoninproduktion auswirken. Im Laufe des Lebens lässt die körpereigene Melatoninproduktion nach und mit ihr kommt es zu einer Desynchronisation der Regulation verschiedener Stoffwechselprozesse (z.B. altersbedingte Schlafstörungen) (1). Auch bei depressiven Störungen können häufig verminderte Melatoninspiegel nachgewiesen werden (1). Melatonin allein besitzt keine antidepressive Wirkung, da die circadianen Rhythmusstörungen aber häufig mit affektiven Störungen assoziiert sind, kann die ergänzende Einnahme einen Teilaspekt dieser Erkrankungen positiv beeinflussen (3) (5).
 
Melatonin als potentes Antioxidans und seine Rolle in der Brustkrebsprävention
In-vitro-Studien zeigten, dass Melatonin insbesondere Hydroxylradikale (OH) neutralisiert. Es zeigte sich hier sogar effektiver als Glutathion. Melatonin stimuliert außerdem die Glutathionperoxidase-(GSH-Px) Aktivität. GSH-Px metabolisiert reduziertes Glutathion zu seiner oxidierten Form, dabei wird aus H2OH2O. Durch diesen Vorgang wird die Bildung von OH reduziert. Melatonin hat auch die Fähigkeit, Peroxylradikale zu neutralisieren und scheint hierbei sogar effektiver als Vitamin E zu sein (6).

Auch in der Krebsprävention gewinnt Melatonin immer mehr an Bedeutung. Seine antikanzerogene Wirkung dürfte aber über die des Antioxidans weit hinausgehen. Untersuchungen an vollkommen blinden Frauen zeigten, dass diese deutlich seltener an Brustkrebs erkranken als blinde Frauen mit noch teilweise vorhandenem Sehvermögen (7) (8). Die wachstumshemmende Wirkung von Melatonin auf menschliche Brustkrebszellen konnte im Tierversuch bereits nachgewiesen werden. In vitro zeigte Melatonin eine direkte und reversible Hemmung der Zellproliferation bei östrogenabhängigen menschlichen Brustkrebszellen (9) (10) (11).

Labordiagnostik

Parameter Substrat Referenzwert Beschreibung
Melatoninsulfat im Urin Urin Referenzwert ist von der Tageszeit abhängig

7:00 Uhr: 13-50 ng/ml

11:00 Uhr: 4,6 – 25 ng/ml

14:00 Uhr: <10 ng/ml

Nachtwert: 60-70 ng/ml

Melatonin Speichel Referenzwert ist von der Tageszeit abhängig Tagsüber (8 Uhr): um 5 pg/ml
Abends/nachts (20:00 - 24 Uhr): um 10 pg/ml
Nach Mitternacht (2 Uhr): >20 pg/ml
 

Mögliche Mangelsymptome

Auswirkung auf Symptomatik
Schlaf Ein Melatoninmangel kann zu Schlafproblemen und einem gestörten Tag-Nacht-Zyklus führen.
Nervensystem Häufigeres Auftreten von Konzentrationsschwierigkeiten und Depressionen.
Immunsystem Erhöhte Infektanfälligkeit

Indikation

Effekt Indikation Dosierung
Physiologische Effekte
mit niedrigen
Nährstoffdosierungen
Zur Reduktion des subjektiven Gefühls eines Jetlags 1 - 5 mg/d
Zur Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus bei Schichtarbeit 1 - 5 mg/d
Begleitend bei Schlafstörungen und schlechter Schlafqualität (primäre Insomnie = Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder schlechte Schlafqualität über mindestens einen Monat). 1 - 5 mg/d
Bei Albträumen 1 - 5 mg/d

Einnahme

Allgemeiner Einnahmemodus
 
Wann
 

Schlafstörungen:

  • Melatonin sollte 30 Minuten vor dem Schlafengehen eingenommen werden.

Jetlag:

  • Beginnend am ersten Tag der Reise bis einige Tage nach der Ankunft zur Schlafenszeit verzehren. Nicht vor Autofahrten oder Arbeiten an Maschinen einnehmen. Der Einnahmezeitpunkt muss zwischen den Tagen konstant gehalten werden. Falls einmal die Einnahme nicht möglich ist (z.B. bei Vergessen oder späterem Schlafengehen), sollte die Dosis ausgelassen werden. Melatonin entfaltet seine Wirkung auf den Schlaf im Verlauf von Tagen und Wochen.

Hinweis:

  • Nicht vor Autofahrten oder Arbeiten an Maschinen verwenden, nicht während einer Schwangerschaft und in der Stillzeit einnehmen.
  • Bei der Einnahme von steroidhaltigen Medikamenten, SSRIs (Antidepressiva) und bei schweren Allergien sollte Melatonin nur in Ausnahmefällen und unter kontinuierlicher ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden.
     
Nebenwirkungen
Melatonin kann Schläfrigkeit verursachen. Daher ist das Arzneimittel mit Vorsicht anzuwenden, wenn die Auswirkungen von Schläfrigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten.
 
Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder, Epilepsie, Niereninsuffizienz, Leberfunktionseinschränkung

Interaktionen

Interaktionen mit Arzneimitteln
Schlafmittel (Benzodiazepine und Nicht-Benzodiazepine wie Zopiclon, Zalepon und Zolpidem) Melatonin unterstützt die hypnotischen Wirkungen der Benzodiazepine.
Antihypertonika (Betablocker) Betablocker können die Melatoninsynthese beinträchtigen, Melatonin wirkt sich positiv auf betablockerinduzierte Schlafstörungen aus.
Kontrazeptiva und Hormontherapie

Orale Kontrazeptiva und Hormontherapien mit Östrogen sind in der Lage die Metabolisierung von Cytochrom P450-Enzyme zu hemmen, das in einem erhöhten Melatonin-Spiegel resultieren kann.

Wirksubstanzen mit Wirkung auf CYP1A-Enzyme Durch die vorwiegend durch CYP1A-Enzyme-vermittelte Metabolisierung von Melatonin, kann es zu Interaktionen zwischen Melatonin und anderen Wirksubstanzen aufgrund ihrer Auswirkung auf die CYP1A-Enzyme kommen.
Fluvoxamin (Antidrepressivum) Von einer Kombination von Fluvoxamin und Melatonin ist abzuraten, da es durch das Antidepressivum zu einer Erhöhung der Melatoninspiegel durch die Hemmung der Metabolisierung durch die Cytochrom P450 (CYP) Isoenzyme CYP1A2 und CYP2C19 in der Leber kommt.
5- oder 8-Methoxypsoralen (5 und 8-MOP) Die Einnahme von 5- oder 8-Methoxypsoralen (5 und 8-MOP) führt zu einer Erhöhung der Melatoninspiegel durch Hemmung der Metabolisierung.
Cimetidin (CYP2D-Hemmer) Der CYP2D-Hemmer Cimetidin kann die Plasmakonzentrationen von Melatonin erhöhen, da er dessen Metabolisierung hemmt.
CYP1A2-Inhibitoren (u.a. Chinolone) CYP1A2-Inhibioren wie u.a. Chinolone können zu einer erhöhten Exposition von Melatonin führen.
CYP1A2-Induktoren (Carbamazepin, Rifampicin) Die Einnahme von CYP1A2-Induktoren können zu einer Reduktion der Plasmakonzentration von Melatonin führen.
Interaktionen mit anderen Nährstoffen
Aminosäuren Supplementierung von Tryptophan verbessert niedrige Melatoninspiegel.
Vitamine Vitamin B6 und Vitamin B12 werden für die Melatoninbiosynthese benötigt.
Des Weiteren ist zu beachten, dass das Rauchen von Zigaretten zu einer Senkung der Meltoninspiegel aufgrund der Induktion von CYP1A2 führen kann. Des Weiteren kann auch Alkohol die Wirkung von Melatonin herabsenken.

Referenzen

Referenzen

1) Martin, M. Labormedizin in der Naturheilkunde. 3. Auflage, 2006.
2) Altun, A., Ugur-Altun, B. 2007. Melatonin: therapeutic and clinical utilization. Int J Clin Pract. 61(5):835-45.
3) Kunz, D. 2012. Melatonin taktet die innere Uhr neu. Neurologie & Psychiatrie. Vol. 14, Nr.1.
4) EFSA. 2011. Scientific opinion on the substantiation of a health claim related to melatonin and reduction of sleep onset latency (ID 1698, 1780, 4080) pursuant to Article 13 (1) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal. 9
5) Salgado-Delgado, R. et al. 2011. Disruption of circadian rhythms: a crucial factor in the etiology of depression. Depress Res Treat. 2011:839743.
6) Reiter, R. J. et al. 1995. A review of the evidence supporting melatonin’s role as an antioxidant. Journal of Pineal Research. 18(1):1-11.
7) Flynn-Evans, E. E. et al. 2009. Total visual blindness is protective against breast cancer. Cancer Causes Control. 20(9):1753-6
8) Sánchez-Barceló, E. J. et al. 2003. Melatonin and mammary cancer: a short review. Endocr Relat Cancer. 10(2):153-9.
9) Verkasalo, P. K. et al. 1995. Inverse association between breast cancer incidence and degree of visual impairment in Finland. British Journal of Cancer. 80: 1459–1460.
10) Nooshinfar, E. et al. 2016. Melatonin promotes ATO-induced apoptosis in MCF-7 cells. Proposing novel therapeutic potential for breast cancer. Biomedicine & Pharmacotherapy. 83:456-465.
11) Mao, L. et al. 2016. Melatonin represses metastasis in Her2-postive human breast cancer cells by suppressing RSK2 expression. Molecular Cancer Research. 14(11):1159-1169.


Referenzen Interaktionen

Stargrove, M. B. et al. Herb, Nutrient and Drug Interactions: Clinical Implications and Therapeutic Strategies, 1. Auflage. St. Louis, Missouri: Elsevier Health Sciences, 2008.
Gröber, U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning –Prävention –Therapie, 3. Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
Gröber, U. Arzneimittel und Mikronährstoffe: Medikationsorientierte Supplementierung, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014.
Hilli, J. et al. 2008. The effect of oral contraceptives on the pharmacokinetics of melatonin in healthy subjects with CYP1A2 g.-163C>A polymorphism. J Clin Pharmacol. 48(8):986-94.
Reinberg, A.E. et al. 1996. Oral contraceptives alter circadian rhythm parameters of cortisol, melatonin, blood pressure, heart rate, skin blood flow, transepidermal water loss, and skin amino acids of healthy young women. Chronobiol Int. 13(3):199-211.
Wright, K.P. et al. 2000. Acute effects of bright light and caffeine on nighttime melatonin and temperature levels in women taking and not taking oral contraceptives. Brain Res. 873(2):310-7.
Circadin. 2 mg-Retardtabletten (Februar 2019). Gebrauchsinformation: Information für Patienten. Paris: RAD Neurim Pharmaceuticals EEC SARL.

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